Das Schlimmste kommt ja jetzt erst
Auch ein bisschen symptomatisch fürs Leben in Deutschland: Dass jedes Jahr erstmal mit drei bis vier Monaten Abfuck beginnt, ehe es halbwegs erträglich wird, bis es dann wieder uneträglich wird, nur um dann kurz wieder gut zu werden, dann richtig furchtbar und erst ganz am Schluss die beste Woche kommt. Wobei mein Jahreshoroskop (fragt nicht, ich kenne genügend über 30-Jährige, die glauben dann plötzlich an so etwas) eigentlich sagt, dass es dieses Jahr richtig krass abgehen wird. Ich werde mich also im Zweifelsfall bei Astrolinski beschweren, wenn das auch nur in irgendeiner Weise unter phänomenal abläuft.
Und damit willkommen zum heutigen Newsletter! Wird wahrscheinlich eine eher kurze Reise, weil ich aus Versehen alle Notizen der Woche gelöscht habe und jetzt nur noch aus meiner Erinnerung schreiben kann, womit ich meistens nie sehr weit komme, denn ich muss mir eigentlich alles aufschreiben, sonst ist es nach fünf Minuten weg. Wenn ihr das lest, lese ich vermutlich gerade das Hörbuch ein. Außer ihr lest das im 4 Uhr morgens, dann eher nicht. Aber so ab um 10 Uhr auf jeden Fall.
Nicht im Bild: Eigentlich wollte ich hier ein flammendes Plädoyer gegen (was ist denn das Gegenteil eines Plädoyers? Oder ist es nur mein Gefühl, dass ein Plädoyer ausschließlich FÜR etwas sein kann?) Künstliche Intelligenz schreiben. Also nicht gegen Künstliche Intelligenz selbst, da gibt's schon echt ein paar Dinge, die erheblich Arbeit erleichtern, sondern dagegen, dass Leute neuerdings alles mögliche Künstliche Intelligenz nennen und plötzlich all Bros, die vorgestern noch Pickup-Artists, dann Erfolgscoaches und schließlich Krypto-Dudes waren, jetzt plötzlich "Experten" für "EY EI" sind, obwohl es eben überhaupt nichts mit Intelligenz zu tun hat, sondern es nur stupide programmierte Abläufe mit sehr viel Rechenkraft und sehr vielen Daten sind, die halt einfach jetzt erst erschwinglich für everybody sind, aber eben nichts mit wirklicher Imitation menschlicher, kognitiver Fähigkeiten oder maschinellem Lernen zu tun hat. Bis ich dann gelesen hab, dass KI auch einfach das heißen kann: Viel Rechenkraft gegen ein Problem werfen und hoffen, die Lösung kommt möglichst schnell. Was für eine Enttäuschung.
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Die Doku über Schleimkeim, die erste Punkband Ostdeutschlands, gesehen, die im März in die Kinos kommt. Eigentlich gar keine große Lust gehabt, aber nun ja, die Tickets waren ja schon da. Und ein Glück, dass ich hingegangen bin. So ein guter Film. Tragisches Ende natürlich, dafür muss man nur mal einen Blick in den Wikipedia-Artikel geworfen haben, aber der Weg dorthin, toll. Die ganzen Immer-noch-Punks, die die ganzen Anekdoten und Erinnerungen vor der Kamera teilen, sind reines Gold. Allein mit den beiden Dudes aus Berlin, Abse und Speiche, könnte man problemlos ein eigenes spinoff drehen. Also wenn ihr die Möglichkeit habt, guckt ihn euch an, lohnt sich sehr.
Nicht im Bild: Die Roast-in-Peace-Aufzeichnung sichten. Ist wirklich gut geworden, aber trotzdem ertrag ich es nicht, mir das länger als 15 Minuten am Stück anzusehen. Am liebsten würde ich dafür einfach jemanden beautragen, aber dann würde ich es nicht aushalten, die Verantwortung abgegeben zu haben und garantiert beim ersten Durchskippen nach Veröffentlichung etwas finden, das mich extrem stört. Die Aufzeichung kommt übrigens erst NACH den letzten Roast-in-Peace-Terminen raus, also es lohnt sich defintiv, es sich noch live anzusehen. Das ist nochmal etwas ganz Anderes. Fragt die Leute, die da waren.
Auch nicht im Bild: Auf das Hörbuch-Einlesen vorbereiten. Das heißt, mit dem iPad stundenlang durchs Zimmer laufen und das Buch vor sich hin murmeln.
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Hab mich über die Bauernproteste aufgeregt. Also nur halb, weil eigentlich habe ich natürlich nichts dagegen, dass die Landwirte demonstrieren. Nur wofür eigentlich, frage ich mich? Und leider war es auch mal wieder eine Demonstration, wie schnell Proteste von Rechten und sonstigen Irre gekapert werden, sobald sie sich nicht ganz krass auf ein Thema fokussieren, nur so ein vages "Gegen alles"-Gefühlt transportieren und sich nicht explizit von Nazis abgrenzen. Die übrigens, wer hätte das gedacht, maßgeblich für die Fähren-Aktion mit Robert Habeck verantwortlich waren. Und die, wie wir spätestens seit der Correctiv-Recherche wissen, überhaupt keinen Hehl daraus machen, was sie in ein paar Jahren, wenn wir so lange nichts gegen sie gemacht haben, bis sie tatsächlich an der Macht ist, erstmal haufenweise Menschen aus Deutschland deportieren wird. Ist das alles gruselig. Wie normal wir mittlerweile über Begriffe wie "Remigration" reden, als wäre das nicht nur ein ultrarechter Begriff, den so Idioten wie Martin Sellner nur dazu erfunden haben, um den Diskurs zu unterwandern. Und das Traurige ist: Es klappt. Und wir kriegen es nicht einmal hin, diese bescheuerte AfD zu verbieten, weil sie a) niemand daran verheben will, b) die CDU ja wohl nicht ihren zukünftigen Partner in spe und Tonangeber verbieten wird und c) womöglich eh die halbe Partei wieder voller V-Leute ist, sodass sie man sie eh nicht verboten bekommen. Aber übel, wie sehend wir tatsächlich in irgendein Mindestens-Autoritäres-Regime hineinlaufen und es uns einfach egal ist. Das werden richtig richtig dunkle Jahre, die da kommen. Wobei sie eigentlich ja nie weg waren, wenn ich da nur an Oury Jalloh denke. Wer also mal wieder richtig das Vertrauen in Polizei und Justiz verlieren will, der/dem sei diese Doku empfohlen.
Auch übel: Wie sich jetzt im Nachhinein alle, die an diesem Nazi-Treffen teilgenommen haben, versuchen zu rechtfertigen. Ja klar, ihr wart nur aus Neugier da. Hatte mit Interesse nichts zu tun. Wen wollt ihr als Nächstes einfach mal aus Fun treffen? Jeffrey Dahmer? Schön, wie auch unser NPC-Kanzler einfach mal wieder das tut, was er immer tut: Schweigen.
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Das Ende der TourDo, 29.02.2023 - Magdeburg (Tickets) Sa, 02.03.2024 - Erfurt (Tickets) Fr, 08.03.2024 - Berlin (Tickets) So, 10.03.2024 - Stuttgart (Tickets) Di, 02.04.2024 - Dresden (Tickets) Schluss!
Alle Termine und Tickets hier.
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Ja und dann war ich spazieren, plötzlich war der halbe Wald gefroren und überall lagen Kinder auf dem Boden. Warum geh ich eigentlich nicht mehr täglich spazieren? In Berlin bin ich jeden Tag mindestens auf 10.000 Schritte gekommen. Gut, in Berlin wird man auch nicht wie ein Irrer angeschaut, wenn man einfach ein bisschen rumläuft, das hilft auf jeden Fall. Oder wird von allen Freund*innen verständnislos gefragt: "Ja, aber WOHIN gehst du denn dann?" Das ist wirklich ein sehr großes Berlin-Plus, das es sonst so wahrscheinlich auch nur sehr sehr selten in Deutschland gibt: Dass den Leuten auf der Straße wirklich alles scheißegal ist. Du kannst rumlaufen wie du willst, es ist allen komplett latte, weil sie schon viel zu sehr damit beschäftigt sind, ihren viel zu hohen Mieten zu bezahlen, täglich 40 Minuten mit der Bahn durch die Stadt zu gondeln, den ganzen Tag zu arbeiten, trotzdem nicht auf einen grünen Zweig zu kommen und DANN auch noch im Internet simulieren zu müssen, man würde das aufregendste Life ever führen. Aber hey, in Berlin gibt's dafür keinen Wald. Also ja, gibt es, aber in dem Teil will ja auch gar keiner sein.
Nicht im Bild: Wie ich in einer dieser Zu-Verschenken-Kisten, die ich eigentlich gar nicht mag, das einzig legitime Zu-Verschenken-Item gefunden habe, nämlich Das Parfum von Patrick Süskind. Falls ihr das Buch wirklich nicht kennen solltet, sofort alles stehen und liegen lassen und es lesen. Es ist großartig. Allein der Anfang: "Im 18. Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte. Seine Geschichte soll hier erzählt werden. Er hieß Jean-Baptiste Grenouille, und wenn sein Name im Gegensatz zu den Namen anderer genialer Scheusale, wie etwa de Sades, Saint-Justs, Fouchés, Bonapartes usw., heute in Vergessenheit geraten ist, so sicher nicht deshalb, weil Grenouille diesen berühmteren Finstermännern an Selbstüberhebung, Menschenverachtung, Immoralität, kurz an Gottlosigkeit nachgestanden hätte, sondern weil sich sein Genie und sein einziger Ehrgeiz auf dein Gebiet beschränkte, welches in der Geschichte keine Spuren hinterlässt: auf das flüchtige Reich der Gerüche." - Bam! So fängt man ein Buch an!
Auch nicht im Bild: Wie ich kurz nach der Aufnahme dieses Bildes in einer Schule war. Auch eine seltsame Erfahrung. Ich hätte geschworen, ich gehe sofort in Flammen auf, sobald ich mal wieder eine Schule betrete, aber im Gegenteil: Seltsame Milde, die mich überfiel. Wahrscheinlich, weil es wirklich eine gute Schule zu sein schien und ich so immerhin nicht Mitleid haben musste mit den armen Kindern, die dort täglich hin müssen. Also von der Uhrzeit morgens mal abgesehen. Aber immerhin können die sich dort anscheinend tatsächlich ein bisschen entfalten und ausprobieren. Nicht wie bei mir, wo es einzig und allein darum ging, einem jeglichen Lebenswillen zu brechen und auf gar keinen Fall Ambitionen zu entwickeln. Natürlich gestalten wir unseren Unterricht ausschließlich mit Sicht auf die schlechtesten Schüler*innen. Sollen die anderen doch vor Langeweile untergehen. Und wenn sie es tun, dann werfen wir es ihnen einfach vor. Ich weiß, so etwas ist fies und ich bin jetzt auch nicht per se gegen "Kinder sollten so lang wie möglich nicht nach Leistung getrennt, sondern miteinander lernen". Ohje, dafür werde ich definitiv Emails bekommen. Aber hey: Darüber streite ich mich sowieso regelmäßig mit all meinen Pädagogik-Bekannten.
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Mein neues Buch!
Am 16. April 2024 erscheint mein neues Buch bei Rowohlt! Vorbestellen kann man es im Buchladen um die Ecke oder hier. Tickets für den Zusatztermin der Buchpremiere am 9. November in Leipzig gibt's hier. Weitere Lesungstermine in ganz Deutschland kommen bald!
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Niemand hat mich nach meiner Meinung gefragt, aber ich sage sie trotzdem
#1 Gabrielle Zevin: Morgen, morgen und wieder morgen Am besten sind ja Bücher, wenn man sie überhaupt nicht erwartet und sie einen dann richtig weghauen. Okay, lebensverändernd ist "Morgen, morgen und wieder morgen" vielleicht nicht, aber es ist eine wunderbare Geschichte, die ohne die die riesigen dramaturgischen Brüche auskommt und trotzdem nicht langweilig ist. Ganz grob geht's um die Freundschaft zwischen einem Jungen und einem Mädchen, die in einem Krankenhaus beginnt und sich auf gemeinsames Super Mario-Spielen gründet und später in einer gemeinsamen Computerspielefirma mündet. Wie schon bei Echtzeitalter, ich steh einfach drauf, dass es mittlerweile einfach Bücher über Gaming, Programmieren und eSport gibt. Und Moritz Pliquet ist so ein guter Sprecher. Also meine uneingeschränkte Empfehlung.
#2 Aus heiterem Himmel Speaking of "Einfach Leben darstellen". Ich weiß, ich bin etwas befangen beim Thema ARD-Vorabendserien aus den 90ern, aber jetzt, da ich sie gerade nochmal geschaut hat: Ich lieb's einfach. Warum werden solche Serien nicht mehr gemacht? Zwei beste Freunde, die einem Haus am Starnberger See wohnen und plötzlich drei Kinder ins Haus kriegen, leben einfach vor sich hin. Und wenn man genau hinschaut, finden sich dabei genügend Geschichten und mehr als genug Drama. Ich weiß zwar nicht, ob ich Nicht von schlechten Eltern nicht noch einen Ticken besser finde, aber das Ende von AhH ist defintiv das Bessere. Nächster Halt: Nochmal Tanja gucken.
#3 Anatomie eines Falls Also sagen wir so: Ich find's total okay, dass der Film einen Golden Globe bekommen hat. Gerade für Sandra Hüller freut es mich. Aber so geil ist der Film leider trotzdem nicht. Stundenlanger Aufbau für diese Auflösung? Ich bitte euch. Warum hat da nicht einfach mal jemand gesagt: "Nee Leute, das ist zu billig. Dann können wir den Film auch einfach 20 Minuten lang machen, dafür brauchen wir nicht anderthalb Stunden Hinleitung." Aber gut, immerhin bissl was fürs Französisch getan.
#4 Fargo Season 5 Gott, ist das eine gute Staffel. Zwischendrin dachte ich ja, es gäbe einen kleinen Hänger, aber holy shit. Ich spoiler nur so viel: Eine Frau, die auf einem Elternabend den falschen Polizisten pfeffert, wird entführt, kann sich durch Zufall befreien und ... ach, lassen wir das. Guckt es einfach.
#5 May December Eine Schauspielerin will sich auf eine neue Rolle vorbereiten und besucht dafür die Frau, die sie darstellen soll. Nur ist das eben nicht irgendeine Frau, sondern eine, die mit Mitte 30 einen 13-Jährigen verführt hat und seither mit ihm zusammenlebt, oder wie man es rechtlich sagt: eine Sexualstraftäterin. Eigentlich echt ein spannendes Setting, aber auch mal wieder ein sehr weirdes Ende.
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Spendierhosen an?
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